Fauda
Die Serie als Familie – die Familie als Serie

in: Gerald Poscheschnik (Hg.): Suchtfaktor Serie. Psychoanalytisch-kulturwissenschaftliche Perspektiven auf "Game of Thrones", "Babylon Berlin" und Co.,, Giessen 2020, S. 191-204.

28. Dezember 2020


Der Monitor ist das Visier einer Drohne, auf dem angezeigt wird: Wadi Zaitoon, westlich von Ramallah.

Ein Auto kommt angefahren, bleibt mitten auf der Strasse stehen, zwei mit Palästinensertüchern Vermummte steigen aus, gespannte Blicke, einer schaut mit dem Fernglas in die entgegengesetzte Richtung der Strasse, sagt in sein Handy, es sei alles sauber, der andere holt einen Mann aus dem Auto – es ist Boaz, wie man da schon weiss –, nicht vermummt, er scheint sich vor Schmerzen zu krümmen, kann selbst kaum stehen, nun kommt aus der anderen Richtung ein weiteres Auto den Hügel hinunter – links und rechts Stacheldraht –, es bleibt in einigem Abstand stehen. Eine Stimme aus dem Handy fragt den Mann, ob er den Scheich sehe. Aus dem anderen Auto steigen drei ebenfalls mit Palästinensertüchern Vermummte aus, einer zieht einen älteren Mann – es ist der Scheich – aus dem Wagen, so stehen sich die beiden Gruppen, beide vor ihren Autos, gegenüber. Aus dem Handy fragt die Stimme, ob Gideon Avital da sei, Schnitt, aus dem zweiten Auto wird eine weitere Person gezerrt, es ist nicht Gideon Avital – der erwartete Verteidigungsminister –, sondern ein kleines Mädchen, Abir, mit einem Megaphon und einem Sprengstoffgürtel um den Oberkörper. Der Mann am Handy ruft erregt: „Abir, Abir ist hier. Zwei bewaffnete Männer mit Abir und dem Scheich, die Sprengstoffgürtel tragen.“ Von der anderen Front – so stehen sie sich gegenüber – kommt durchs Megaphon: „Wenn Ihr Boaz explodieren lasst, jage ich Abir in die Luft.“

Die Frage ins Handy, an den Anführer: „Was sollen wir tun?“ Und nochmals immer nervöser: „Abu Ahmad, was sollen wir tun?“ Wie weit entfernt er von Abir sei? Es sei schwer zu sagen, die Spannung steigt an, der Rhythmus des musikalischen Hintergrunds wird schneller, Abu Ahmad spricht ein Stossgebet an Allah durchs Telefon und dann: „Lass ihn gehen, Walid.“ Und sie schicken Boaz los, der geht gekrümmt, wankt, stöhnt, dreht sich nochmals um, um zu schauen, was hinter ihm passiert, er wird angewiesen weiter zu gehen, aus dem Handy kommt der Befehl: „Drück ab!“, Walid kann es nicht glauben, nochmals: „Drück ab!“ Boaz geht weiter, in seinem Gesicht ein freudiges Lächeln, da passiert es: der Knall, die Explosion, Staub, das Bild wird schwarz ... Ende der Folge 7.

Anfang der Folge 8: Der Bildschirm wieder schwarz, immer noch schwarz, dann Augen zwischen dem Palästinensertuch, werden gerieben, entsetzt, „Nein“ – „Boaz?“, Schnitt und Kamera auf die Stelle, an der es passiert ist, immer noch der Staub, der Rauch, sonst sieht man nichts, dann: „Schick ihn los. Los!“ Der Scheich wird auf den Weg geschickt, er beeilt sich, wird nochmals gerufen: „Scheich!“, er dreht sich um, dann passiert es wieder, der Knall, die Explosion, Staub ... Die anderen rennen zum Auto, springen rein, fahren los. Quietschende Reifen, Panik, Flucht. Man sieht wieder die Stelle, an der die Explosionen waren, immer noch Rauch und Staub, sonst sieht man nichts. Einer, Doron, läuft los, die anderen liegen noch am Boden von der Wucht der Explosion, auch das Mädchen Abir, die Tochter von Abu Ahmad. Der Blick der Kamera geht wieder auf Doron, von hinten, er wirft sein Palästinensertuch weg, an der Stelle, an der es passiert ist, ist es leer, da ist nichts mehr, nur ein kleiner Krater, er geht weiter die Strasse entlang, biegt nach links ab, verschwindet durch den Stacheldraht hindurch im Irgendwo.

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