Zu Bernard Thomas

Rede zur Vernissage der Ausstellung in Zollikon im September 2010

9. September 2010



Thomas schiesst auf uns! In welcher Absicht tut er das, fragen wir uns? Was haben wir getan? Geht es wirklich nur um das, was in seinem Wortspiel zum Ausdruck kommt, er möchte un million de balles erwerben? Geht es also um die Kohle? Haben wir zu wenig Bilder, zu wenig Kunst gekauft? Oder geht es um das Wortspiel selbst, um das Spiel?

Vielleicht gibt diese Ausstellung eine Antwort darauf. Bei den Bildern hier haben wir es auf jeden Fall mit einem Spiel zu tun. Zumindest mit einem von Photographie und Skulptur. Wir sehen Photos, wunderschöne Photos, künstlerische Photos, ja makellose Photos von Naturräumen, von Naturlandschaften. Von einer unberührten und in ihrer Unbewegtheit kühlen, fast schon erstarrten Natur. Wenn da nicht die Farbe wäre, das Rot, das aus ihr fliesst, das in sie eingegossen und eingelassen ist, das in sie hinein und durch sie hindurch zieht. Und es wird immer klarer, dass Thomas es ist – er macht auch keinen Hehl daraus –, der diesen Landschaften das Rot verpasst, der diese Eingriffe vorgenommen hat. Thomas ist also nicht einfach Photograph, er ist Skulpteur, der diese Landschaften und Räume schafft und Körper bildet. Sie sind die Produkte seines Eingriffs und das Sang de Glace ist nicht nur das Blut des Eises, sondern auch das Blut seiner Eingriffe, das Blut das aus den von ihm zugefügten Verletzungen fliesst. Bildhauer nehmen Zugriff auf ihr Material: sie hauen von ihm ab, spalten und teilen es, fügen es dann wieder zusammen, lassen aus ungestalteter Materie Körper werden.

Die Verletzungen von Thomas zerstören diese in sich ruhende Natur nicht, sondern erwecken sie in Eis und Kälte, in Versteinerung und Unberührtheit zum Leben und machen sie zu einem Körper. Zu einem durchaus erotischen Körper, in dem das Blut fliessen und Spuren von Lust strömen können. Thomas spielt mit den Dingen, indem er aus dem einen das andere werden lässt. Er wird vom Photograph zum Bildhauer – als wollte er uns sagen, dass auch die Photos Eingriffe sind - und vom Bildhauer wird er wieder zum Photographen, der in seinen Bildern den Akt seiner irisierenden Eingriffe auch etwas zum verschwinden bringt und ihn fast in Schönheit wieder erstarren lässt. Er lässt aus der Verletzung Leben entstehen und macht die Natur zur Kunst.

Yves Klein – es war eine deshalb sehr schöne Überraschung, neulich von Thomas zu hören, dass er Yves Klein als Vorbild sehr geschätzt hat –, Yves Klein, Jean Tinguely und Niki de Saint-Phalle haben auf Bilder geschossen. Natürlich um dem damals überkommenen Kult des Bildes den Todesstoss zu versetzen. Aber natürlich nicht, um die Kunst abzuschaffen und zu töten, sondern wenn schon, dann um sie ins Herz zu treffen. Um ihr eine Liebeserklärung zu machen und um sie mit neuem Lebenssaft zu versorgen. Ganz ähnlich wie es Thomas mit dem Körper der Natur und mit der Welt macht. Er macht nicht nur die Natur zur Kunst, er macht auch die Welt zur Kunst, reist er doch um den ganzen Erdball um seine Skulpturen überall auf dessem ganzen Rund anzubringen, um die Welt – so könnte man auch sagen – rundum zu beleben und zu verschönern und ihr neue Dimensionen zu verleihen. Wie es schon Lucio Fontana getan hat, als er in seine leere, weisse Leinwand mit dem Messer geschnitten hat und sie dadurch von der planen Fläche zu einem räumlichen Ereignis werden liess.

Warum also schiesst Bernard Thomas auf uns? Er hat uns und unseren Körper im Visier. Er will auch uns ins Herz treffen. Er will in uns und in unseren Körper eingreifen, nicht um ihn zu zerstören, er will in ihm das Blut fliessen lassen und die Spuren seiner Verletztheit als seine Schönheit sichtbar machen.

Deshalb also kann ich Ihnen nur einen Rat geben: Schauen Sie sich die Bilder gut an. Sie werden Sie vielleicht noch schöner, auf jeden Fall lebendiger machen. Ich wünsche Ihnen viel Spass und einen schönen Abend.

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